Landschaft/Natur
Aufgewachsen bin ich in der Stadt. Die hieß „Neustadt“, und ihre Entstehung ist großenteils dem Bombenkrieg geschuldet. Osnabrück war ziemlich zerstört, unsere Familien waren alle „ausgebomt“. Das Wohn- umfeld meiner Kindheit waren Mietshäuser, Nebenstraßen mit sozialem Wohnungsbau, aber auch schon Einfamilien-Häuser, ein Molkereihof mit großen Freiflächen als prekärer Spielplatz. Natur bedeutete kleine Hinterhöfe, Kleingärten, Balkonpflanzen, gelegentlich Vorgärten, in denen wir auch schon mal vandalierten. Und einen Kilometer weiter nördlich begann das Industriegebiet, in dem unser „Fußballplatz“ lag. Das war eine kleine Wiese neben einem Metallbetrieb, deren wilde Grasfläche wir über Jahre spielend niedermachten. Manchmal wurden wir verjagt. Die andere Natur bestand aus sonntäglichen Spaziergängen auf den Schölerberg, eine Erhebung mit viel Wald und dem städtischen Zoo. Das war für mich „Natur“. Dazu die Nordseeinsel Borkum, unser Sommer-Ferien-Programm. „Meereslandschaft“ sitzt bei mir tief drin.
Landschaften, Natur habe ich erst richtig wahrgenommen mit und durch Cornelia Hollaender – in Mittelhessen. Obstwiesen, Krofdorfer Forst, Burgenlandschaft, alles gleich vor der Haustür oder beim Blick aus dem Atelierfenster – alles Privilegien, die ich zuvor nicht kannte. Dabei war das hier historisch eine Arme-Leute-Gegend mit kleinen Höfen und nicht so dollen Böden. Aber die mittelhessischen Hügel-landschaften sind ein Traum. Mein landschaftlicher Blick schärfte sich durch das Zeichnen und ich lernte soziale Verhältnisse in Landschaften zu erkennen. Die Höfe im Marburger Land sind ungleich größer, der Vogelsberg hat nicht so gute Böden, dafür aber viele Basaltbrüche – und bei Wetzlar begann die Bergwerks-Welt, die vergangen ist. Und das Alles ist zu erkennen, wenn man es will und einübt. Zusätzlich lesen schadet natürgemäß nicht.
Zeichnerisch sehe ich von Menschen gestaltete Landschaften und Naturräume nun auch schon länger anderwärts. Landwirtschaftlich genutzte Flächen sehen in Andalusien anders aus als in Sizilien oder in der Provence. Das gleiche gilt für die gebaute Umwelt. Wie sich die Materialnutzung wandelt, wie Zeitschichten aussehen, wie die Mensch-Natur-Verhältnisse in unterschiedlichen Gegenden zu unterschiedlichen Land-schaften und Umgebungen führen, auch das interessiert mich.
Naturverheerungen und -katastrophen sind in den meisten Fällen Folgen von Menschenwerk. Die Verheerungen von Wohngebieten durch den Hurrican Katrina hatten auch mit der Lage der Behausungen direkt am Wasser zu tun. Heute sehe ich auch bestimmte Bauweisen in Erdbebenregionen kritisch und manchmal erfasst mich beim Zeichnen ein Grusel über die schwindelerregende Lage von Berg-Nestern in der "Madonie". Aber dann begeistern mich der Umgang mit Baumaterialen und die Erfahrung mit verschachtelten Torbogen-Gassen etwa in Ligurien.
In Mittelhessen
Das Gleiberg-Projekt Die Gemeinde Wettenberg beging 2004 ihr 25-jähriges Jubiläum. Damit ist sie eine sehr junge Gemeinde. Dabei besteht sie aus drei eingesessenen Ortsteilen: Wissmar, Launsbach, Krofdorf. Der Ortsteil Krofdorf ließe sich noch einmal aufteilen – in Krofdorf und Krofdorf-Gleiberg. Krofdorf liegt unten, Krofdorf-Gleiberg liegt oben. Und oben liegt die Burg Gleiberg. Zusammen mit der Burgruine im Nachbarort Vetzberg bilden die Beiden ein Wahrzeichen im Gießener Umland. – Gefeiert werden sollte das junge Jubiläum auf und unterhalb der Burg. Alles sollte von den Vereinen der Gemeinde bespielt werden. Und so gingen auch einige Mitglieder des "Kunst- und Kulturkreises Wettenberg e.V. (KuKuK)" hoch zur Burg und beteiligten sich mit zeichnerischen Erkundungen am Spektakel. So sorgfältig hatte ich zuvor die paar Sträßchen und Gassen hinauf zur Burg noch nicht betrachtet. Das Wiedersehen mit meinem guten Dutzend Zeichnungen nach mehr als 15 Jahren hat mich selbst verblüfft. – Ergänzt habe ich sie hier mit ein paar Blicken auf die Burganlagen aus verschiedenen Richtungen und Entfernungen.
Eine Mosel-Reise Die Kombination von Schiffsfahrt- und Flussufer-Reise war für mich schon etwas Besonderes. Im Sommer 2005 war es so weit. Vom Schiff aus zu zeichnen war eine Herausforderung. So langsam fahren Schiffe denn doch nicht. Der Vorteil ist, du bist gezwungen schnell zu zeichnen und dich dabei auf das Wesentliche zu konzentrieren. An Land wird das zeichnen wieder anders. Details gewinnen an Bedeutung. Perspektivisch herausfordernd sind die Steillagen des Weinbaus an der Mosel. Was in den Zeichnungen an Erkenntnis fehlt: Nicht alle Steillagen werden mehr gepflegt beziehungsweise bearbeitet. Von Steillagen-Weinen können nur Winzer mit Spitzenlagen und Spitzenweinen leben. Bezahlbar sind sie daher nicht für jeden Weinliebhaber.
Mittelhessische Hügellandschaft
Im Süden