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Mallorca, Herbst 2023 In den späten 1980er-Jahren waren wir zum ersten Mal auf der "Ferieninsel". Mittlerweile haben wir Verwandtschaft auf "Malle". Sie hat sich prächtig niedergelassen in der Nähe des Ortes Selva und damit am Fuße der Sierra Tramontana. Von der grafischen Struktur her gibt es eine Anmutung im rechten Handdruck, aber in der Realität ist das Gebirge viel grüner (aber farblich langweiliger). Die Ballung der Gebäude geht auf die Verwendung verschiedener Motive aus Zeichnungen vor Ort zurück. Im Inselinneren zeigen die Ortschaften ganz verschiedene "Gesichter", zumal sie nicht touristisch überformt sind. Denn wo kein Strände sind, da gibt es auch nur wenige Touristen. – Die Gehöft-Struktur und Windmühlen-Ruinen im linken Bild finden sich in einer ultraflachen Gegend bei Sa Pobla. Hier stößt man auf die baulichen Reste einer ganzen Wind-mühlen-Kolonie, einst wohl wegen der besonderen Qualität der Winde für die Verarbeitung von Getreiden angelegt. Und auch Sa Pobla selbst überrascht dann wieder: Etliche Male an den unschönen Gebäuden der Ausfallstraßen vorbeigefahren – doch dann trumpft der Ortskern mit einer schachbrettartigen und ziemlich einhaltlich gehaltenen mehrgeschossigen Blockbebauung auf.
Wandlungen, Herbst 2022 Das nenne ich ein typisches Motiv für einen „südeuropäischen Baustil“. Eher schmaler, gestreckter Baukörper, steile Außenwand an einer Straße zur Kaimauer am Meer, Dachterrasse, schlanker hoher Kamin mit „Haube“ und eher kleine Fenster, um die Sonnen-einstrahlung zu minimieren. Farbliche Unterschiede gehen häufig auf örtliche oder regionale Traditionen zurück. Fassadenschutz wird nicht sehr groß geschrieben, auch weil es selten schädliche Frostschäden gibt
Der Schnitt einer Druckplatte und der sich anschließende Handdruck bietet gegenüber einem gemalten Bild den Vorteil der Variationsmöglichkeiten durch die Anzahl der Drucke. In diesem Fall waren es acht Drucke, sechs auf schwarzem und zwei auf weißem Karton im Format 30 x 40 cm.
Organische Gebäude, 2016 Wie die Zukunft ökologischen Bauens aussehen sollte, auch darüber scheiden sich die Geister in Architektur und Städtebau. Am besten wäre es natürlich, wenn es ein organisches Wachstum von Bauten geben könnte. Das ist allerdings bislang nur in Science-Fiction-Welten möglich. Digital lässt sich da einiges machen. – Das scheinbar organische Wachstum der Gebäude in diesem Bild geht auf Frottage-Elemente zurück, die miteinander montiert wurden. Zusätzlich wurden die Gebäude-Strukturen farblich ausgearbeitet und mit schwarzer Acryl-Farbe umgeben. – Eine Mischtechnik auf Leinwand im Format 80 x 100 cm.
Drama in Rot, Februar 2023 Der Ursprung dieses Motivs ist eine Schwarz-Weiß-Foto von der Baustelle eines Neubaus in der anbrechenden Nacht oder eines beginnenden neuen Tages. Die Art der Armierungseisen und der Baugerüste weisen auf das Entstehen eines Bürogebäudes oder einer neuen Produktionsstätte hin. Der Himmel in dramatischen Grautönen gab keinen Hinweis auf die Farben der Dämmerung oder eines Sonnenaufgangs. An Realismus fühlte ich mich nicht gebunden – Der Handdruck auf schwarzem Karton im Format 100 x 70 cm besteht aus einer geteilten Druckplatte. Die untere Fläche besteht aus dem Motiv, in dem auch Stromleitungen dramatische Strukturen bilden. Die obere Fläche hält, getrennt durch eine kleine schwarze Unterbrechung, also nur farblich vage Anschluss. Gedruckt wurden drei Varianten, die hier in einer Diashow zu sehen sind.
Koloniales Raubgut?, März 2022 Eigentlich ist das 16 Meter lange „Auslegerboot“ von der Südsee-Insel Luf ein richtiges Schiff, aber „Eingeborene“ bauen eben keine Schiffe, sondern Boote, wie der Kolonialist zu sagen pflegte. Wie das Objekt aus Papua-Neuguinea letztlich in deutschen Besitz gelangt ist, ist nach wie vor umstritten. Das ethnologische Museum in Berlin muss weiter forschen, um Götz Alys These vom Kolonial-Raub überhaupt widersprechen zu können. Der hat in seinem Buch „Das Prachtboot. Wie Deutsche Kunstschätze der Südsee raubten“ auch die Geschichte des kolonialen deutschen Strafkommandos von 1882/83 gegen die BewohnerInnen der Insel Luf erzählt. Das Schiff liegt nun symbolträchtig in einem eigens für es gebauten Raum im neuen Humboldt-Forum. – Auf einem Foto des ethnologischen Museums in Dahlem lag das Schiff noch zusammen mit anderen Booten in dynamischer Position. Von diesem Foto aus habe ich die Szenerie wieder zu Wasser gelassen. Der Handdruck auf Schwarzkarton in drei Varianten hat das Format 70 x 100 cm.
Wachsstift-Bilder, 2004 Eine beliebte zeichnerische Entspannungs- oder auch Konzentrationsübung ist das „Blind-Zeichnen“. Die Augen verbunden und dann auf einer gegebenen Papierfläche zeichnen, am besten einen Gegenstand, den man vorher ins Auge gefasst hat. Die Ergebnisse sind oft überraschend wegen der proportionalen „Entgleisungen“ die einem unterlaufen. Zu Überraschungen kommt es auch, wenn man mit einem farblosen Wachsstift auf Papier zeichnet. Zunächst sieht man gar nichts, wenn man aber Kohlenstaub über die Papierfläche gibt und einreibt, dann blitzen die mit Wachs versehenen Passagen plötzlich Weiß auf. Denn dort, wo das Wachs die Oberfläche des Papiers bedeckt, kann der Kohlenstaub nicht haften. So kommt es zu Weiß leuchtenden Linien, die grafisch und farblich erweitert werden können. – Die Beispiele dieser Wachsstift-Bilder-Serie (ca. 40 x 40 cm auf weißem Karton) reichen von abstrakten Linien-Figuren bis zu Phantasien von Boote-Stränden. Wo noch in kleinem Maßstab Fischfang betrieben wird, findet man außer Booten und kleinen Schiffen noch mancherlei Gerätschaft. Sehr anregend.
Landschaft, abstrahiert, 2000er-Jahre Es gab Zeiten, in denen ich Bilder nicht benannt, nicht datiert und nicht mit „Autogramm“ versehen habe. Daher weiß ich nicht mehr genau, wann ich dieses Tryptichon gemacht habe. Sicher jedoch ist, dass ich es in Spachtel-technik auf Leinwand gemacht habe. Der Auftrag der Acrylfarbe mit Spachteln und Palettenmessern führt zu leicht schrundigen, kantigen Farbfeldern. Für eine Landschaft, die vom Vulkanismus geprägt ist, schien mir das die passende Maltechnik zu sein. Die Gipfelformen sind inspiriert von den Vulkanen auf Lanzarote oder vom Pico del Teide auf Teneriffa – ebenso wie Lava-Klumpen und riesige Basalt-Brocken, die die ehemals aktiven Vulkane „ausgespuckt“ haben. Die Farbwahl auf den Bildern hat allerdings gar nichts mit Vulkanismus zu tun.
„Ferropolis“, März 2022
Das Bitterfelder Bergbaurevier war einmal eine gigantisch schmutzige Region des Braunkohleabbaus – und eine offene Landschaftswunde. Nach der Stilllegung des Tagebaus 1991 gab es bald ein Konzept für die Erhaltung der riesenhaften technischen Anlagen des Tagebaus Golpa-Nord zu „Freizeitzwecken“.
Die heutige Seen-Platte kann also auch von technischen Ungetümen aus erlebt werden – und „Ferropolis – die Eisenstadt“ – wurde in Richtung Expo 2000 zu einem Industriemuseum und Freizeit- und Veran-staltungsort in Gräfenhainichen (östlich von Dessau-Roßlau) auf einer Halbinsel im Gremminer See entwickelt. Und natürlich ist „Ferropolis“ damit auch ein Ankerpunkt der „Europäischen Route der Industriekultur“.
Die unterhalb des sogenannten „Absetzers“ entstandene Arena fasst rund 25.000 Besucher. Im nebenstehenden Handdruck (mit zwei Drucken) sind die steinernen Sitzreihen angedeutet und die Zuschauer-massen nur durch Schlagschatten anwesend. Der Riese aus Stahl und Eisen fasziniert durch sein Gewimmel von Gestängen und rostigen Etagen und Arbeitsbereichen und ich habe mir die Freiheit zur technischen Reduzierung und einer farblicher Überspitzung genommen. Ich war nicht vor Ort, sondern hatte ein Foto als Vorlage. Das ganze Motiv ist seitenverkehrt wiedergegeben.
Was ist das denn?, November 2021 Das Ausgangsbild war ein Foto über einen Wanderweg im Engadin im "Reiseteil" einer Tageszeitung. Soweit überhaupt erkennbar, waren darauf Konturen einer Hängebrücke zu sehen. Aber für mich war es eher eine farbliche Abstrak-tion mit Elementen von Landschaft und grafischen Anteilen aus Seilen und Holzteilen. Die Umsetzung in den Handdruck erfolgte seitenverkehrt und in vier farblichen Varianten auf schwarzer Leinwand im Formt 60 x 120 cm.
Puzzle, dreifach, Mai 2021 Geschnitten nicht aus einer Platte, sondern zusammengesetzt aus abgeschnittenen Streifen von verschiedenen Druckstöcken. Drei Varianten eines Warm-Kalt-Farben-Versuchs. Geologische Strukturen?
Daten-Vernichtung oder Wenn die »Cloud brennt«, März 2021 "Legen sie ihre Daten in die Cloud!", heißt es gerne, denn in dieser "Wolke" sind sie sicher. Sie ist schön groß und jemand kümmert sich um die Aufbewahrung der Daten. Für die meisten Cloud-Nutzer ist es eine luftige Sache, ihre Daten in die "Wolke" zu legen. Spart Festplatten und Speicherplatz. Doch im März 2021 war es mit der Sicherheit von Abermillionen von Datensätzen vorbei. Bei der Firma OVHcloud in Straßburg, einem der größten Cloud-Anbieter Europas, brannten mehrere Stockwerke mit tausenden von Servern aus. Der GAU: Ein Großteil der Daten waren nicht doppelt gesichert. Das heißt, die Firma hat auch Verträge mit nur einfacher Serverlagerung abgeschlossen. Und das bedeutet: diese "verbrannten Daten" von Firmen und Institutionen sind weg, unwiderruflich, Archive und Websites vernichtet. Der Skandal: Es gibt für die Aufbewahrung von Daten durch private Firmen keine rechtlichen Vorgaben für die Modalitäten der Datensicherung. – Der Daten-GAU brachte in den Medien eine nächtliche Luftaufnahme von den brennenden Gebäuden am Rheinufer in Umlauf. Farblich-grafisch eine Augenweide. Seitenverkehrt angelegt wurde ein Handdruck daraus. Im Format 60 x 160 cm auf schwarzer Leinwand.
Salzlager/Kokerei, Dezember 2020
Durch eine Rezension bin ich auf „Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet“ gestoßen. Der Fotograf Achim Bednorz und der ehemalige Landesdenkmalpfleger Walter Buschmann haben gemeinsam den kiloschweren Bildband herausgegeben (Köne- mann Verlag, Köln, 39,95 € ). Das Ruhrgebiet ist mittlerweile ein Eldorado für das „industrielle Denkmal“ – und das reicht von alten Fabrikanlagen, über Brücken bis zu den Siedlungen des Zollvereins oder den Palästen der Ruhrbarone. Die meisten Fotografien von Achim Bednorz zeigen stille Orte, denn es sind nun ehemalige Produktionsanlagen, in denen die Arbeit schon lange ruht. Ein bizarrer Anblick sind etwa die im Deckenraum hängenden leeren Kleider“käfige“ in den Kauen der Bergwerke. Für die massenhafte Fragilität dieser „Installation“ habe ich noch keine grafische Lösung gefunden.
Im Großen und Ganzen überzeugt der Band mit Informationen über geographische Lage und technischem Grundwissen plus glanzvoller Architekturfotografie. Auch wenn ich mir mehr Blicke in die ehemaligen Produktionsräume gewünscht hätte, stecken in dem 640-seitigen Band viele Motiv-Lesezeichen. An zwei Motiven habe ich mich schon versucht. Hier nebenan der zweite Handdruck nach dem Foto von einem Salzlager-Raum der Kokerei Hansa bei Dortmund. In dem gerade das Feuer ausgebrochen ist, so scheint es. – Handdruck auf schwarzer Leinwand, 110 x 80 cm.
Hinter den Kulissen, 2016
Die Schwarzweißfotos aus der Filmstadt „Cinecittà“ hatten sich mir tief eingeprägt. Der amerikanische Fotograf Gregory Crewdson hatte sie im Juni 2009 auf Teilen des ungenutzten Filmkulissen-Geländes nahe Rom in der Zeit des Sonnenaufgangs und der Dämmerung gemacht. „Sanctuary“ hieß der Fotoband, den ich 2010 in der „Kommune“ besprochen hatte. Ja, die Aufnahmen hatten etwas von einem „geweihten Ort“. Hier sprachen die Kulissen nicht im Zustand der verblassenden Patina ihrer ehemaligen Schauseite, sondern durch ihre Strukturen und Konstruktionen aus Metall und Holz im Inneren oder auf der Rückseite. Diese Gestänge und Artefakte sind naturgemäß grafisch spannend. Und ich hatte alle Freiheiten sie farblich „auszugestalten“. Es wurde eine Serie daraus (hier neban im Durchlauf verschiedene Handdrucke und Größen).
Dorf Kehna, 2006
Beim Landleben geht es nicht unbedingt um heile Welt. Das Dorf Kehna zum Beispiel ist ein Ortsteil der Gemeinde Weimar im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf und galt in der „Sommerakademie Marburg“ als erste Adresse für das Studium von Fachwerk im ursprünglichen Sinne. Das heißt denkmalgeschützt, aber nicht aufgemotzt. Auf den Höfen wird gearbeitet, auch eine Pferdezucht gibt es. Im Zentrum des Dorfes mit circa 60 Einwohnern liegt heute jedoch nicht mehr die Landwirtschaft, sondern ein Ensemble der „heilenden Gemeinschaft“, also beschütztes Arbeiten und Wohnen mit Kaffeerösterei, Schreinerei, Weberei und einem Landschaftspflegebetrieb. Wir bewegten uns beim Zeichnen also nicht in einer Idylle, sondern in einem ausgestalteten sozialen Ort.
Im Kieswerk, Sommer 2004
Es war nicht mein erstes Kieswerk, aber jenes von Niederweimar, unweit von Marburg, wurde zu einem guten „Arbeitsraum“. Manchen aus unserer Zeichnen-Gruppe der „Sommer-Akademie“ wäre ein schöne Landschaft als Thema allerdings lieber gewiesen. Aber mir kam das Sujet „Kieswerk“ gerade recht. Die Kombination von verschiedenen Sand- und Kieshügeln mit Laufbändern und Mahl- und Zerkleinerungsanlagen war eine respektgebietende, aber technoid anregende Umgebung und eröffnete mir vielfältige zeichnerische Perspektiven. Sie mündeten dann in eine Gruppe von Mischtechniken in denen ich auch Papiercollage-Elemente verwendet habe. Das nebenstehende Bild gibt keine konkrete reale Situation wieder, sondern kombiniert verschiedene gesehene oder gezeichnete Strukturen in einer sandfarbigen Grundstimmung. Und Rost gibt es in den verschiedensten farblichen Abstufungen.
Surrealismus 1974
Der junge Mann ist im Spätsommer 1973 zwanzig Jahre alt, hat die Schriftsetzer-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und wird trotzdem entlassen – weil er ein aktivistischer Jugendvertreter mit K-Gruppen-Hintergrund ist. In Aussicht steht da schon der Rekrut der Bundeswehr zum 1. April 1974. Bis dahin ist es noch ein gutes halbes Jahr und er arbeitet als Gabelstapler-Fahrer bei Karmann in Osnabrück. Dort wird noch der „Sportwagen“ Karmann-Ghia gebaut und ein spezieller „VW Käfer“ für den USA-Export. An den Produktionsbändern arbeiten neben der ersten Gastarbeitergeneration aus Spanien und Portugal vermehrt Kollegen aus Jugoslawien.
Der Schock Bundeswehr kommt gleich danach. Die „Schleifereien“ in der Grundausbildung wirken einschüchternd. Politisch wird er sich keine Freunde schaffen. Irgendwie – und der Mann von heute weiß nicht so recht wie – entstehen zwischen April und Juli 1974 drei „surrealistische“ Zeichnungen. Wie konnte er sich am menschlichen Körper und Gesicht versuchen? Er hatte doch keinerlei Vorstudien von Körper oder Gesichtern gemacht. In „Das Innere nach außen gekehrt“ etwa sind zwei Lippen zu einer verwachsen, ein Auge und eine Augenbraue breiten sich jenseits der Stirn aus. Wie viel war motivische Absicht und wie viel autodidaktische Anmaßung? Großes Bemühen in den Details ist allerdings erkennbar. In „Unterrichtsstunde“ finden sich verschiedene Bleistift- und Tusche-Techniken kombiniert bis ins sehr Filigrane. Über den Sinn dieser Zeichnungen, auch in „Der Baum des Alterns“, kann er von heute aus sagen, dass er von 1970 an sehr viel Rockmusik der eher „abgründigen Art“ hörte. Bands wie „King Crimson“, „Genesis (mit Peter Gabriel), „Van der Graf Generator“ oder „Soft Machine“ waren kein Tanz-Kapellen, sondern musikalisch und textlich bis ins Verstiegene gesteigerte Reflexionsmonster. Ich denke, der junge Mann stand da also zeitgleich noch unter einem anderen Einfluss als dem „Kommunistischen Manifest“.
Der Schock, April 2019 Die Flammen vom brennenden Dachstuhl von Notre-Dame brannten sich weltweit in das Gedächtnis der Menschen ein. Hätte der Brand zu einer menschlichen Tragödie geführt, dann hätte ich dieses „Motiv“ nicht verarbeitet. Und wäre da nicht das Gerüst für die Renovierung gewesen, dann hätten mich die Flammen allein nicht „beschäftigt“. Es war das Zusammenspiel von Weltkulturerbe gotischer Baukunst, Kirchen- und Sozialgeschichte sowie grafischer und Farb-Strukturen das in mir den Bearbeitungswunsch auslöste. Notre-Dame ist nicht nur ein „Gotteshaus“, mit der Französischen Revolution sollte die Kathedrale zu einem „Tempel der Vernunft“ werden. Doch erst mit dem Gesetz „Loi Combes“ von 1905 kam es zur vollständigen Trennung von Kirche und Staat, wurde Notre-Dame zu einem öffentlichen Ort. – Der Schnitt für den Handdruck folgte seitenverkehrt einem Pressefoto. Das Format ist 90 x 120 cm. Es gibt nur zwei Drucke auf schwarzer Leinwand von diesem Schnitt. Einer davon befindet sich in Privatbesitz.
Gallipoli/Apulien, Mai 2018
Das „centro storico“ liegt auf einer felsigen Insel und ist durch eine Brücke mit der „Neustadt“ verbunden. Das „centro storico“ besteht aus einer rundum ausgebauten historischen Festungsanlage mit großem „castello“. Eine Ringstraße lässt das Abstellen von Autos zu, aber nur für die Einwohner. Ansonsten: „Fußgängerzone“. In ihr gibt es nur ein modernes prägendes Gebäude: die Schule. Alles andere an Bausubstanz ist historisch, mit viel Renaissance und Barock. Manches wurde renoviert oder saniert, manches muss warten. Das „centro storico“ lebt von und mit seinen Einwohnern. In den touristischen Hochzeiten wird es jedoch eng in den Hauptgassen. Und jenseits der Wehrmauern werden auf einer Freifläche am Hafen die Parkplätze rar. Eigentlich geht hier Bus-Tourismus gar nicht, doch er brummt. Das Kleinod verwandelt sich dann in einen touristischen Trampelpfad.
Rostbilder, Sommer 2009 Wir wohnen in einer ländlichen Umgebung. Über etliche Jahre wurde das überaus deutlich an den regelmäßig stattfindenden Sperrmüll-Tagen. Das waren lokal-regional festgelegte Termine, zu denen die Einwohner ihren Sperrmüll vor das Haus stellen durften. Ganze Ortsteile verwandelten sich binnen 48 Stunden quasi in einen Flohmarkt. Das sprach sich herum und führte zu einem Sperrmüll-Tourismus – der Ruf reichte bis nach Polen, Tschechien und ins Baltische; denn der eiserne Vorhang war ja gefallen. Aber auch Cornelia gehört zu den Leuten, die mit Trödel etwas anzufangen wissen (etwa in der Kunst der Assemblage, also Bildwerken und Skulpturen aus Gegenständen des alltäglichen Bedarfs). So sammelten sich über Jahre im Hof und im Garten auch Gegenstände aus landwirtschaftlich-handwerklichen Bereichen an: Sicheln, Metalläxte, Hufeisen, Zahnräder, Spachtel, Lochgitter, Schaufeln, Hacken, Ketten und so fort. Im Freien rosteten sie naturgemäß. Dass rostige Gegenstände kraftvolle farbige Abdrücke hinterlassen entdeckte ich, als ich die Gegenstände über Monate hinweg auf Verpackungspappen auflegte. Schnee und Regen und die Zeit „arbeiteten“ dann für mich. So entstanden die „Rostbilder“, eine Kombination von Pappe-Rost-Collagen und Acryl auf Leinwand (hier oben im Format 120 x 150 cm).
Wüsten-Brand, 2003
Der zweite Irak-Krieg mit dem Sturz des Saddam-Hussein-Regimes wurde auf einem Lügen-Gebäude epischen Ausmaßes errichtet. Die Folgen dieses „Angriffskrieges“ prägen noch die Gegenwart im Nahen und Mittleren Osten. Im Widerstand gegen diesen Krieg war auch in der Bundesrepublik häufig vom „Krieg um Öl“ die Rede gewesen. Mir schien diese Parole immer zu platt, zu „ökonomistisch“.
Gleichwohl haben mich die Bilder von brennenden Erdölförderanlagen inmitten der Wüste sehr beschäftigt. Zu behaupten aus politischen Gründen wäre gelogen. Das Fatale der medialen Bilder der brennenden Anlagen bestand und besteht in ihrer farbdramaturgischen Üerwältigung. Im Gegensatz zur Drecksumgebung von Erdölanlagen in anderen Weltgegenden sind das gold- oder ockergelb des Wüstensandes in Kombination mit Feuerrot, Rauchschwarz und verdunkeltem Himmelsblau farbliche „Eyecatcher“. Ein Grund für die Zweifelhaftigkeit von „Schreckensbildern“, die somit wohl kaum als Anti-Kriegsbilder ausgewiesen werden können. Also auch mein Problem mit den Ölfarben-Sticks und Kohle-Strukturen (im Format 40 x 40 cm auf Papier).
Positano, November 2020
Orte, die an steilen Felsküsten kleben, muss man sich zunächst einmal als schwer zugänglich und weltabgewandt vorstellen. Auch die kleinen Fischerorte am Golf von Sorrent waren dereinst nicht allzeit blühende Gemeinden, sondern eher Nester mit schweren Lebensverhältnissen – aus denen dann auch viele Einwohner in die USA auswanderten. Von kleinen Fischerbooten aus ließen sich keine Reichtümer schaffen, aber die katholische Kirche schaffte es immer, die Größe Gottes in Gebäude zu fassen. In einem sepiafarbenen Foto von Positano überragt die Pfarrkirche Santa Maria Assunta alles. Allerdings hat auch an ihr der Zahn der Zeit deutlich genagt.
Die großformatige Abbildung gehörte zu einem Zeitungs-Artikel über Positano als Exil-Ort deutscher MalerInnen und SchriftstellerInnen während der Nazi-Zeit. Es waren eben die besagten ärmlichen Lebensverhältnisse, die ihnen ein Überleben in einer pittoresken Umgebung aus Booten, kleinen Häusern und Steilgassen sicherten, mit den großen Gebirgsmassen im Hintergrund. Der nach dem Meeresgott Poseidon genannte Ort hat so Eingang gefunden in etliche Bilder und Bücher – die allerdings weitgehend vergessen sind.
Die sepiafarbene Abbildung gab mir die Möglichkeit zur Darstellung von Umgebungs- und Herrschaftsverhältnissen und ließ mir zugleich die Freiheit zu einer eigenen Farbfindung, die eher von Ärmlichkeit oder Abgerissenheit spricht. Mit der überbordenden Farbigkeit des heutigen, des touristischen Positano hat sie nichts zu tun. Aber die Lebens-verhältnisse haben sich tatsächlich verbessert.
Handdruck auf Schwarzkarton, 100 x 70 cm